Chancen und Risiken des Sports bei Hämophilie
Dürfen Menschen mit Hämophilie Sport treiben? Diese Frage hört man oft und es gibt hierzu einige Untersuchungen, aber die Datenlage ist insgesamt noch eher lückenhaft.
Die Vorteile eines regelmäßigen sportlichen Trainings liegen in ihrem präventiven Potenzial:
- Krafttraining sorgt für die Stärkung von Muskeln und Knochen und ist günstig für die Stabilität der Gelenke.
- Koordinationstraining verbessert die Körperwahrnehmung („Propriozeption“) und hilft dadurch, Verletzungen und Stürzen vorzubeugen.
- Mobilitätstraining trägt dazu bei, die Beweglichkeit der Gelenke zu fördern.
- Fitnesstraining hilft, die körperlichen Fitness zu erhalten und Übergewicht zu vermeiden, das die empfindlichen Gelenke unnötig belastet.
Darüber hinaus ist es gerade bei Hämophiliepatienten wichtig, den Blutdruck durch regelmäßiges Training im Normbereich zu halten. Nicht zuletzt trägt das gemeinsame Sporttreiben zur sozialen Integration der Patienten und damit zu einem weitgehend als normal empfundenen Leben bei.
Aufgrund der Verletzungsgefahr sind Risikosportarten, Kampfsportarten und Sportarten mit hohem Körperkontakt jedoch nicht zu empfehlen. Gleiches gilt für Disziplinen, bei denen ein verwendetes Sportgerät zur Gefahr werden kann, wie zum Beispiel ein Hockeyschläger.
Gibt es Empfehlungen für bestimmte Sportarten?
Grundsätzlich gilt: Pauschalempfehlungen für bestimmte Sportarten können nicht ausgesprochen werden. Vielmehr sollte eine Empfehlung immer von den individuellen Voraussetzungen des Patienten wie z. B. individueller Kraft, Beweglichkeit und Koordinationsvermögen abhängig gemacht werden.
Außerdem ist zu empfehlen, vor dem Beginn mit einer sportlichen Tätigkeit die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnde Arzt zu Rate zu ziehen. Selbstverständlich sollte sein, dass vorgesehene Schutzkleidung ausnahmslos getragen wird. Bei Verletzungen oder Anzeichen einer Blutung gilt es, die sportliche Aktivität sofort einzustellen, dem Patienten erste Hilfe zu leisten und einen Arzt aufzusuchen.
Grundsätzlich wird Sport aufgrund der zahlreichen positiven Auswirkungen aber auch bei Hämophilie empfohlen! Daher auch unser nicht abschließenden Überblick über die Eignung verschiedener Sportarten für Hämophiliepatienten.
Überblick über mögliche Sportarten für Hämophiliepatienten:
Geeignet sind u.a.
- Rückschlagspiele (Badminton, Tischtennis u.ä.)
- Kraftausdauer- und Hypertrophietraining
- Klettern in der Halle
- Bogenschießen
- Rudern
- Schwimmen
- Leichtathletik (Laufdisziplinen)
Mäßig geeignet sind u.a.
- Fußball, Basketball, Volleyball, Handball
- Leichtathletik (Wurfdisziplinen)
- Skifahren & Snowboarden
- Reiten
- Inlineskaten
- Tennis
Nicht geeignet sind u.a.
- Paragliding, Fallschirmspringen
- Kampfsportarten mit Körperkontakt
- Mountainbiking
- Skateboard
- Eishockey, Feldhockey
- Felsklettern
Was ist Hämophilie eigentlich?
Die Hämophilie, im Volksmund auch als „Bluterkrankheit“ bezeichnet, ist eine genetische Störung, bei der die normale Blutgerinnung beeinträchtigt ist. Von dieser Erkrankung sind hauptsächlich Jungen bzw. Männer betroffen. Frauen können Trägerinnen des fehlerhaften Gens sein und die Krankheit an ihre männlichen Kinder übertragen. Inzwischen ist bekannt, dass Frauen ebenfalls Symptome der Erkrankung entwickeln können, allerdings äußern sich diese anders als bei Männern und werden daher häufig nicht als Ausdruck einer Hämophilie erkannt.
Patienten mit Hämophilie fehlen bestimmte Proteine im Blut, die sogenannten Gerinnungsfaktoren, die zur Blutstillung beitragen. Je nachdem, ob diese Proteine ganz oder zum Teil fehlen, gibt es verschiedene Schweregrade der Erkrankung. Man unterscheidet zwischen schweren, mittelschweren und milden Formen der Hämophilie. Die Neigung zu Blutungen und die Folgen der Erkrankung hängen ganz maßgeblich von diesem Schweregrad ab. Die Krankheit kommt in den sogenannten „klassischen“ Formen Hämophilie A und Hämophilie B vor und in einigen ähnlichen Varianten. Von der Hämophilie A ist ungefähr einer von 5.000 männlichen Neugeborenen betroffen, von der Hämophilie B nur einer von 25.000 männlichen Neugeborenen. In Deutschland wird die Zahl hämophiler Patienten aktuell auf etwa 5.000 geschätzt.
Was sind die Folgen der Erkrankung?
Da die Blutstillung der Patienten gestört ist, sind Blutungen eine der gefürchteten Folgen der Erkrankung. Sie können spontan auftreten, aber auch nach Verletzungen oder, nicht zu vergessen, während und nach operativen Eingriffen. Besonders gefürchtet sind dabei Einblutungen in die großen Gelenke wie das Kniegelenk, das Ellenbogengelenk oder das Sprunggelenk. Solche Einblutungen in Gelenke können, wenn sie wiederholt auftreten, zu einer chronischen, irreversiblen Schädigung des Gelenks führen. Knochen und Knorpel des betroffenen Gelenks werden zerstört und das Gelenk kann sich verformen. Die Langzeitfolge sind dann bleibende Bewegungseinschränkungen und, da der Patient eine Schonhaltung einnimmt, ein Abbau der umliegenden Muskulatur, der wiederum zu Fehlhaltungen führen kann, welche den ganzen Körper betreffen können. Darüber hinaus ist eine Gelenkeinblutung in der Regel mit starken Schmerzen verbunden.
Wie wird die Erkrankung behandelt? Substitutionstherapie oder Gentherapie?
Die wichtigste Behandlungsoption bei Hämophilie ist der Ersatz der fehlenden Blutgerinnungsfaktoren von außen („Substitutionstherapie“ – Substitution: dt. „Ersatz“). Dabei werden diese Proteine regelmäßig gegeben, um konstant einen ausreichenden Blutspiegel aufrecht zu erhalten. Die meisten Gerinnungsfaktoren müssen mit einer Kurzinfusion in eine Vene des Patienten verabreicht werden. In spezialisierten Hämophiliezentren werden die Patienten oder ihre Angehörige so geschult, dass sie die Gabe der Medikamente zuhause selbst durchführen können.
Seit kurzem stehen auch Gentherapien zur Behandlung zur Verfügung. Der Effekt der Gentherapie kann mehrere Jahre anhalten und die Patienten sind während dieser Zeit nicht mehr auf eine Substitutionstherapie angewiesen. Diese Behandlung ist jedoch noch mit extremen Kosten verbunden und kommt auch nicht für jeden Patienten in Frage.
Mit den modernen Behandlungsmethoden hat sich die Lebenserwartung der Menschen mit Hämophilie normalisiert. Lag die Lebenserwartung eines Neugeborenen Mitte des letzten Jahrhunderts noch bei durchschnittlich nur 20 Jahren, entspricht sie heute der Lebenserwartung eines gesunden Neugeborenen.
Quellenangaben:
- Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten e.V. (Hrsg.) (2015). Hämophilie. Hamburg. Verfügbar unter: www.dhg.de/fileadmin/dokumente/sonderdrucke/Haemophilie.pdf (letzter Zugriff 17. April 2025).
- Götte, M.; Kesting, S.; Richter, F., Gebauer, J. (2021). Sport und körperliche Aktivität bei hämato-onkologischen Erkrankungen; In: Men-rath, I.; Graf, C.; Granacher, U.; Kriemler, S. (Hrsg.) Pädiatrische Sportmedizin. Berlin: Springer, S. 349-351. DOI: 10.1007/978-3-662-61588-1.
- World Federation of Haemophilia (Hrsg.) (2023). Report on the Annual Global Survey 2022. Montréal. Verfügbar unter: www1.wfh.org/publications/files/pdf-2399.pdf (letzter Zugriff am: 17. April 2025).
Fragen zu Hämophilie?
Christian Wunderlich
Apotheker | MaHM
Sporternährung Christian Wunderlich
Instagram sport.apotheker